Startseite > Rundbriefe Freiwillige > Paraguayischer Herbst

Lange ist es her, dass wir das letzte Mal geschrieben haben und hier kommen ein paar Geschichten, wie es uns im paraguayischen Herbst so ergangen ist. Wir waren in Brasilien, haben gefroren, Indigene kennen gelernt und uns mit Feiertagen beschäftigt.

In Brasilien waren wir direkt in der ersten Aprilwoche. Unser Visum gilt immer nur für 90 Tage, deshalb mussten wir das Land verlassen. Die Gelegenheit haben wir genutzt und sind nach Foz do Iguaçu gefahren, eine touristische, brasilianische Stadt, die direkt an der Grenze zu Paraguay liegt. Wir sind in einem kleinen Hotel untergekommen, wo einer der Rezeptionisten spanisch, englisch und einzelne deutsche Vokabeln konnte. Unser Ausflug ging dann zu den größten Wasserfällen der Welt, den Iguazu-Wasserfällen (I-guazu=Wasser-großes). Es war atemberaubend. Gottes Schöpfung ist gigantisch schön. Wir haben einen ganzen Tag nur gestaunt.

Als zweites Highlight haben wir einen Vogelpark besucht. Dort gab es große, begehbare Volieren mit Papageien, Tukanen und Aras. Ich (Jacqueline) habe es geliebt!

Unsere Zeit in Brasilien war wunderschön, obwohl nicht immer alles perfekt lief. Wir sind einmal zum falschen Busbahnhof gelaufen („Oh, es gibt zwei Busbahnhofe in dieser Stadt?“) und standen vor der verschlossenen Tür des Vogelparks („Auf dem Schild stand, sie haben jeden Tag offen!“). Wir mussten auch erst mal merken, dass Brasilien in einer anderen Zeitzone liegt als Paraguay („Die Uhr am Hauptbahnhof in Asunción lügt!“). Das Urlaubsgefühl wurde noch weiter verstärkt vom riesigen Einkaufszentrum. In Paraguay haben wir auch schon Einkaufszentren besucht und es ist jedes mal etwas Besonderes. Der Durchschnittsparaguayer geht dort nicht einkaufen, da alles zu teuer ist, und so ist immer wenig los. Alles ist glänzend, großzügig und ordentlich und ganz anders als die kleinen Lädchen, die es hier an jeder Straßenecke gibt und bei denen man nie weiß, was die alles verkaufen.

Oftmals können Personen einzelne Wörter auf Deutsch, da es in Paraguay viele deutschsprechende Einwanderer und Mennoniten gibt. Das haben wir auch festgestellt als wir in der La Roca waren. La Roca ist die Gemeinde, in die der Verlobte von Jacquelines Schwester geht. Dort haben wir uns jedes Mal sehr wohlgefühlt, weil die Leute so offen und herzlich waren. In dieser Gemeinde können einige deutsch und das Gehirn fühlt sich wie Pudding an, wenn man an einem Abend spanisch, deutsch und englisch redet. Es können nicht viele Paraguayer englisch, aber wenn sie es können wollen sie es ausprobieren.

In der Osterwoche hat Jacqueline die Verwandtschaft unserer Gastfamilie besucht. Sie wohnen in der kleinen ländlichen Stadt Pirajú, die auch bei paraguayischen Touristen beliebt ist und in der sehr viele Hähne krähen. Fabian war die Zeit über leider nicht fit und hat sich entspannte Tage zu Hause gemacht. Gründonnerstag und Karfreitag war Jacqueline abends in der Gemeinde, wo Filme für Kinder und Erwachsenen zum Leben von Jesus und von Märtyrern gezeigt wurden. Alle saßen draußen auf Plastikstühlen, den Beamer auf eine Hauswand gerichtet und das war der erste Tag an dem ich (Jacqueline) hier so richtig gefroren habe. Mittags war es zwar noch T-Shirt-Wetter aber abends hätte ich gerne eine dicke Jacke gehabt. Übernachtet haben wir bei einem netten Pastorenehepaar (er stellt außerdem Schuhschablonen her), die in einem luftigen Haus wohnen. Ihr Flur war zum Garten hin offen und so hab ich die geliehene Jacke auch drinnen getragen. Chiara und ich sind am dem Wochenende wiederholt in die Stadt gelaufen um uns etwas zu Essen zu suchen. Paraguayer frühstücken nämlich nur Cocido (gezuckerter und gerösteter Kräutertee) und Brotstangen (kleine Grissinis) und davon wird man beim besten Willen nicht satt!

Zu Ostern gehören natürlich auch Ostereier. Mit den Kindern der Gastfamilie haben wir welche gefärbt und das Mädchen war total begeistert. Sie liebt Eier. Da wir erst keine Farbtabletten hatten, haben wir es mit roter Beete, Spinat, Rotkohl und Kurkuma versucht … und hatten am Ende nur gelbe Eier. Außerdem werden in Paraguay an Ostern traditionellerweise Chipa (Stärkebrötchen) gebacken und gegessen, woran wir uns selbstverständlich auch versucht haben.

Durch die freien Tage an Ostern konnten wir einen Tag im Kinderheim verbringen. Dort arbeitet Chiara, die andere Freiwillige, die mit uns hier ist. Sie verbringt Zeit mit den Kindern, bringt ihnen Englisch bei und hilft bei den Hausaufgaben. Hier ist es so, dass alle die können ihre Kinder auf private Schulen schicken, da die Qualität der öffentlichen Schulen viel schlechter ist und Schüler dort zum Beispiel kein Englisch lernen. Als wir das Kinderheim besucht haben, haben wir mit den zeichenbegeisterten Kindern gemalt und sind zum Spielplatz gegangen. Nachmittags bekamen die Kinder überraschend Besuch von einem Politiker, der ihnen Torte und Lebensmittelspenden mitgebracht hat, Zaubertricks gezeigt hat und sich dabei filmen lies.

Ansonsten geht in der Schule alles seinen gewohnten Lauf, Jacqueline hat ihre Themen im Fach Gesundheit alle gehalten und unterrichtet noch Gastronomie, Fabian gibt weiterhin Informatikunterricht (aktuell wieder ohne Beamer 🙁 ) und sonst helfen wir eben wo es sich anbietet. Außerdem ist immer etwas los. Einmal kamen Musikanten mit Gitarren, Gesang und bunten Kostümen in den Schulflur und haben einem Geburtstagskind ein Ständchen gesungen. Die ganze Schule hat sich für dieses Spektakel im Flur versammelt. An Unterricht war da natürlich nicht zu denken und solche Tage gibt es öfter. Es gab den Tag der Lehrer, an dem Geschenke an die Lehrer verteilt wurden, oder das Schulfest zum Muttertag und Tag der Unabhängigkeit. Für dieses Fest wurden zwei Wochen lang Tänze, Theater und Sketche geübt. Muttertag allgemein ist hier ein großes Ereignis. Überall gibt es Fotoecken, um sich mit seiner Mutter zu fotografieren, sie werden beschenkt und im Gottesdienst wurde allen Müttern ein Glückwunschlied gesungen.

Der Umgang mit Feiertagen ist hier toll. Wenn sie unter der Woche oder am Wochenende sind, werden sie manchmal (ja, leider nur manchmal, das wird einfach drei Tage davor entschieden) auf Freitag oder Montag verschoben, um ein langes Wochenende zu haben. Leider sind Christi Himmelfahrt und Pfingsten hier keine Feiertage. Es wurde aber der Geburtstag der Stadt Lambaré, zu der die Schule gehört, gefeiert. Es gab eine Parade, bei der alle Schulen der Stadt in ihren schicken Uniformen eine Straße entlang marschiert sind. Zuerst war es beeindruckend zu sehen, dass viele Schüler extra für die Parade das Trommeln und Tanzeinlagen eingeprobt haben, aber es hat sich dann bei jeder Schulgruppe wiederholt.

Gefeiert haben wir auch an Fabians Geburtstag. Wir haben Apfelstreuselkuchen gebacken und der kam so gut an, dass wir ihn bisher schon drei Mal gemacht haben. Paraguayische Kuchen sind sonst eher mit Sahne, Dulce de Leche oder Guavenmarmelade. Wir haben uns am Geburtstag auch ein Eis gekauft, das aber so stark gefroren war, dass wir es föhnen mussten um es essen zu können. Wir sind außerdem in den Zoo gegangen. Dort werden die Gehegezäune von den Äffchen nur als Empfehlung betrachtet und so konnten wir hier und da Äffchen, zwischen den ebenfalls frei lebenden Aras, entdecken. Die Wegführung im Zoo hat uns als strukturierte und an Karten gewöhnte Deutsche zwischendurch sehr amüsiert, aber wir haben die Tiere trotzdem gefunden, zum Beispiel ein Käuzchen, das gebuddelt hat wie ein Kaninchen. Am Ende gab es leckere, mit Dulce de Leche gefüllte Churros.

An einem Samstag wurden wir von Leuten aus der Gemeinde eingeladen mit ihnen die Aché, eine indigene Gruppe, zu besuchen und dort bei einer Kinderstunde zu helfen. Das Dorf liegt ca. 4 h Autofahrt entfernt, daher war geplant morgens um halb fünf los zufahren. In der Nacht zum Samstag hat es aber in Strömen geregnet und gewittert und so kam um vier Uhr die Nachricht, dass wir noch zwei Stunden abwarten und wenn es dann immer noch so regnet, nicht fahren. Wir legen uns also wieder ins Bett und schauen ab sechs immer wieder auf das Handy. Niemand ist erreichbar und es regnet weiterhin stark. Ab sieben Uhr rechnen wir damit, dass die Fahrt wohl nicht klappt. Um zehn nach sieben kommt die Nachricht, dass wir fahren, und zwar jetzt. Solche eine Flexibiltät ist Jacqueline nicht gewohnt, es hat dann aber doch irgendwie geklappt und wir saßen mit motivierten Leuten im 11-Sitzer auf dem Weg zu den Indigenen.

Es gibt in Paraguay viele indigene Gruppen mit ihren eigenen Sprachen, Kulturen und Lebensweisen. Wir haben die Aché besucht, eine sehr offenherzige Gruppe. Sie leben in einem ländlichen Dorf mit matschigen Wegen, kleinen geziegelten Erdgeschoßhäusern, zwischen denen Hühner, Enten, Hunde und Ferkel umherlaufen. Es gibt Volleyball- und Fussballfelder, einen Gemeindesaal und einen Essenssaal in dem die Gemeinschaft gemeinsam isst. Kaum im Dorf angekommen wurden wir schon fleißig umarmt und ich (Jacqueline) hatte eigentlich die ganze Zeit Kinder an den Händen mit denen wir gespielt und gelacht haben. Jeglicher Schmuck und jede blaue Ader unter meiner hellen Haut wurde neugierig inspiziert und anderen Kindern weitergezeigt. Es hat sehr viel Spaß gemacht bei den Kindern zu sein. Fabian wurde als Linienrichter für ein kleines Fussballturnier eingesetzt. Entgegen der Voraussagen hat es dann während dem Besuch auch nicht mehr geregnet, dafür sind wir Gott dankbar. Es war toll die Aché besuchen zu dürfen und einen Mini-Einblick in ihre Lebensweise zu bekommen.

Anfang Juni haben wir Besuch von einer Freundin von Chiara bekommen. Es ist immer toll, wenn Besuch kommt, denn dann nimmt man sich mehr Zeit für Ausflüge. Das Highlight waren diesmal drei Tage Urlaub in Filadelfia. Filadelfia ist eine von Menoniten gegründete Stadt im Chaco, einer riesigen Halbwüste, die ca. 50% des Landes einnimmt. Der Chaco war ziemlich beeindruckend, denn nach knapp 7 h Busfahrt kommt man in einer ganz anderen Welt an. Wo in Asunción alles vollgepackt, chaotisch und laut ist, gibt es in Filadelfia auf einmal Platz (Nachteil: zu Fuss laufen dauert viel länger), Verkehrsregeln und viele Einwohner, die deutsch sprechen. Alles ist weitläufig, staubig, ohne viel Wasser aber dennoch vielen fremden Pflanzen und Kakteen. Die Menschen da leben ganz anders als wir es bisher in Paraguay erlebt hatten. Dort gibt es eine “Kooperative”, welcher der gesamte Boden gehört und auf deren Gebiet man sich ein bisschen wie in einem separaten Staat fühlt. Zum Beispiel sind die Menschen, die in Filadelfia arbeiten, automatisch krankenversichert und die angrenzenden Indigenenviertel werden kostenlos mit Wasser und Strom versorgt.

An unserem ersten Tag sind wir mit einer Fremdenführerin durch die Gegend gefahren, haben Sesam vom Feld gegessen, Flaschenbäume gesehen, sind durch Salzlagunen gewandert und haben Sträuße, Flamingos, Kaimane, ein Reh und die Fußspuren von Tapiren und Gürteltieren entdeckt. Am zweiten Tag haben wir eine deutsche Missionarsfamilie besucht. Die haben uns das Dorf und den Gottesdienst einer indigenen Gruppe (den Nivaclé) gezeigt, mit denen sie arbeiten und deren Sprache sie lernen. Diese indigene Gruppe hat ebenfalls ihr „normal“ scheinendes Dorf mit festen Häuser, sie leben dort aber erst in der zweiten Generation. Wir haben außerdem in einer  menonitische Gemeinde das Ernte-Dank-Fest mitgefeiert und wurden eingeladen uns eine Schafsfarm anzuschauen. Dort haben wir dann den Nachmittag verbracht und die kuscheligen, freilaufenden Lämmchen gehalten. Die Menschen, die wir in Filadelfia getroffen haben, waren alle sehr nett und viele konnten deutsch, englisch, spanisch und mehr Sprachen. Das war cool, auch wenn man nie wusste mit welcher Sprache man mit wem reden kann. In Filadelfia treffen im Supermarkt oder der alltäglichen Arbeit über drei verschiedene Kulturen (Lationoamerikaner, Mennoiten, Indigenge) aufeinander.

Unseren letzten Vormittag haben wir dann in den Museen der Stadt verbracht. Im Allgemeinen sind die Museen in Paraguay schön gemacht und darüber hinaus noch kostenlos. Die in Filadelfia stehen in einem Park mit kleinen Häuschen zu verschiedenen Themen wie den Tieren und Pflanzen des Chacos, der Geschichte der Menoniten, der Geschichte der Indigenen Gruppen sowie von Filadelfia allgemein. Die Zeit im Chaco war eine schöne Abwechslung und wir haben unsere Zeit dort sehr genossen. Ein kleiner Bonus war, dass wir genau am bisher kältesten Wochenende dort waren und es in unserem Gästehäuschen Klimaanlagen gab, mit denen wir heizen konnten! 🙂

Unser Herbst war schön, mit vielen Ausflügen, ab und zu Heimweh und Momenten die wir wohl nie vergessen werden.
Liebe Grüße an alle!