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Silas ist nach einer zweiwöchigen Eingewöhnungszeit in Asunción mittlerweile in Villa del Rosario angekommen, wo er als Freiwilliger im Internat mitarbeiten wird. In seinem zweiten Rundbrief berichtet er von seinen Eindrücken und lässt uns mit vielen Bildern an seinem Alltag teilhaben.

Nach meinen zwei Wochen Eingewöhnungszeit in Asunción bin ich nun schon seit zwei Monaten im Internat in Villa del Rosario tätig. Rosario ist ein etwas nördlich von Asunción gelegenes Dorf, an dem sich der Río Paraguay vorbei schlängelt. Das Gelände des Internats ist sehr grün und hat ein Volleyballfeld und eine Tischtennisplatte als Sportmöglichkeit. Dort leben acht Jungen, die aus indigenen Familien von überall aus Paraguay kommen. Sie sind unter schwierigen Umständen in nicht intakten Familien aufgewachsen. Jetzt leben sie hier mit einer paraguayischen Familie und einem Deutschen. Die für Paraguay typischen kleinen Backsteinhäuser sind auf dem weitläufigem Grundstück verteilt.

Meine Tätigkeit und mir aufgefallene Unterschiede zu Deutschland

Die Jungen gehen immer nur ein paar Stunden zur Schule. Die meiste Zeit sind sie hier auf dem Gelände, zumal bei Regen oder nach den vielen Festen die Schule ausfällt. Sie ist staatlich geführt und dementsprechend auf recht niedrigem Niveau. Der Unterricht besteht hauptsächlich aus dem Abschreiben von seitenlangen Texten. Zudem kommen in den Aufschrieben der Lehrer doch auffallend viele Fehler vor. Daher helfe ich den Jungs mit ihrem Schulstoff und den Hausaufgaben. Auch bringe ich ihnen Englisch bei, das sie in der Schule kaum lernen. Alle hat es sehr belustigt, als die Englischlehrerin anstatt „course“ (Kurs) „cursed“ (verflucht) in ihrem Text verwendet hat. Seit Corona haben die Jugendlichen Computer, kennen sich damit jedoch sehr schlecht aus. Deshalb übe ich mit ihnen Tippen und einfache Dinge, wie einen Text zu verfassen.

Natürlich mache ich auch bei den sonstigen Arbeiten auf dem Gelände mit, wie Maniok schälen, der zu fast jedem Essen als Beilage gegessen wird. Gegessen wird täglich mindestens einmal Fleisch, vor allem Rinder, die überall auf den riesigen Wiesen weiden. Dass es in Deutschland Vegetarier gibt ist vor allem für die ländliche Bevölkerung kaum verständlich. Meist kommen dann Fragen wie „Was soll man dann sonst essen, man kann sich doch nicht nur von Gemüse ernähren?“. Ein Junge aus dem Internat fing einfach nur lauthals an zu lachen, als ich ihm erzählte, dass vielen Vegetariern die Tiere leid tun. Das Verhältnis zu jeglichen Tieren ist in Paraguay deutlich anders, als in Deutschland. So wurden wir beispielsweise einmal zur Nachbarin geschickt, um Hühner fürs Mittagessen zu holen. Die frei herumlaufenden Hühner wurden eingekesselt, die Jungs haben sich auf sie geschmissen und sie so lange kopfüber gehalten, bis sie sich nicht mehr bewegten. Ein anderes Mal riefen mich ein paar Jungs, weil sie etwas zum Essen gefunden hatten. Sie hatten einen Teju, eine Echsenart entdeckt, der ihrem Hunger jedoch entkam, indem er ins Dickicht floh. Seitdem ich einmal Mitleid mit einer Kröte hatte, die von einer Schlange angegriffen wurde, glauben die Jungs, dass Kröten meine Lieblingstiere sind, warum sonst sollte ich Mitgefühl mit einem Tier haben. Auch der Hund Hatchi, der das Gelände bewacht wird Mal geschlagen oder bekommt Elektroschocks, wenn er nicht tut, was er soll. Vielleicht springt er deshalb immer so freudig an mir hoch, da ich dies nicht mache.

Es wird viel selbst angebaut, so haben wir beispielsweise unseren eigenen Zuckerrohrsaft gemacht. Doch das viele Obst, das im fruchtbaren Paraguay wächst, scheint im Internat nicht groß wertgeschätzt zu werden. Früchte werden fast ausschließlich mit viel Zucker als Saft zu sich genommen. Daher erntete ich verwunderte Blicke, als ich eine Maracuja einfach so, ganz ohne Zucker aß. Die fehlenden Vitamine bekommt man durch das Beimischen von Vitaminen in Nahrungsmitteln, wie Mehl aber auch viel in sonst eigentlich ungesunden Produkten. So steht auf den meisten Schokoladentafeln oder dem Kakao genau drauf, welche Vitamine das Produkt alles enthält. Als ich einem indigenen Mädchen erklärte, dass in Deutschland Lebensmitteln nicht so viel Zucker hinzugefügt wird wie in Paraguay meinte sie schlichtweg „los Alemanes no disfrutan“ (Deutsche können nicht genießen).

Der Sommer beginnt

Hier wird es jetzt jede Woche wärmer, es geht aufwärts bis zu den 40° . Doch kräftige Regenschauer sorgen dafür, dass es nicht lange heiß bleibt. Und in dem nahegelegenem Bach können wir uns schön abkühlen. Zudem wird bei der Hitze gemeinsam Tereré getrunken, um Energie zu tanken. Tereré ist die kalte Version vom Mate Tee. Das zu den Yerba Kräutern hinzugefügte Eiswasser wird in der sogenannten Guampa herumgereicht. Ich habe mir auch meine eigene Ausrüstung zugelegt.

Letzte Woche war ich im Norden Paraguays. Dort habe ich mir das Internat Arco Iris, meinen Einsatzort im nächsten Jahr angeschaut. Es liegt mitten im trockenen Chaco, in dem Wassermangel ein dauerhaftes Problem ist. Mein Rückweg verlief über Asunción, wo ich das Wochenende mit den anderen deutschen Freiwilligen verbrachte. Auf der Busfahrt zurück zum Internat in Rosario ist mir nochmal besonders aufgefallen, wie ausgeprägt hier die Pflanzen- und Tierwelt ist. Denn hier auf dem Gelände blüht gerade alles und man hört die ganze Zeit Vogelgezwitscher. Ich freue mich schon darauf, wenn bald die in Massen wachsenden Mangos reif sind.