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Die Sommerferien sind vorbei und für Jacqueline und Fabian beginnt nun, nachdem sie bisher hauptsächlich bei Renovierungsarbeiten an der Schule geholfen haben, die eigentliche Arbeit als Hilfslehrer. Nebenbei entdecken die Beiden bei Ausflügen mehr von Paraguay und lernen Land, Leute und die Sprache immer besser kennen. In ihrem zweiten Rundbrief schreiben sie:

Bei uns ist in den letzten Wochen wieder einiges passiert. Unsere Arbeit in der Schule hat angefangen, wir hatten Flüsse wo keine Flüsse sein sollten und haben wunderschöne Orte gesehen!

Die Paraguayer sind sehr nett zu uns und nehmen uns gerne auf Ausflüge mit. So hat uns die Übersetzerin, die wir auf der Missionarskonferenz (siehe Rundbrief 1) kennen gelernt haben, Asunción (Hauptstadt) gezeigt. Es macht Spaß, Tourist zu sein und die Stadt zu entdecken. Dabei hatten wir aber schnell das Gefühl, dass in Asunción Licht und Schatten näher beieinander liegen als in uns bekannten Städten. An einer Stelle wird die Stadt renoviert und verschönert und es gibt prächtige Regierungsgebäude sowie Kirchen, aber in derselben Straße stehen auch Ansammlungen von Bretterbuden und „Zelten“, das Zuhause von Protestierenden und Indigenen.

Mitte Februar (nach den Sommerferien) hat dann die Schule angefangen, in der wir arbeiten. Das Colegio Presbiteriano Renacer ist eine kleine christliche Privatschule mit je einer Klasse, vom Kindergarten bis hin zur Oberstufe der 12. Klasse. Die Klassen bestehen im Durchschnitt aus 15 Schülern, mal mehr, mal weniger. Es gibt das Erdgeschoss für die Kleinen und zwei weitere Stockwerke, ganz oben ist die Oberstufe. Der Schulhof ist eine grün gestrichene Betonfläche mit Sitzgelegenheiten, Kletterhaus und einem Kiosk. Außerdem gibt es ein Küche, einen Bücherei-/Computerraum, 7 Toiletten (wir haben die Tür jeder einzelnen gestrichen) und den Saal der Kirche.

Die Schule ging ohne richtigen Stundenplan los. Zum einen wurden noch Lehrer gesucht, zum anderen fehlten auch noch Schüler (viele Eltern schicken ihre Kinder erst im März in die Schule um einen Monat Schulgeld zu sparen). Unsere erste Woche war also ziemlich entspannt und uns wurde die Aufgabe zuteil die fünfzehn alten Computer in der „Bibliothek“ zu checken und für den Unterricht vorzubereiten. Fabian wurde zum Computerverantwortlichen erklärt und tatsächlich funktionierten kurz mal alle Rechner (aber auch nur weil einiges ausgetauscht wurde und weil die undichte Stelle im Dach glücklicherweise zehn Zentimeter vom Computer entfernt ist, so tropft der Regen immer auf den Stuhl und nicht auf den Bildschirm).

Als die Schule in der darauffolgenden Woche dann mit einem Gottesdienst so richtig angefangen hat, gab es auch den ersten von vielen Stundenplänen und wir wurden zu „Professoren“ befördert (Lehrer werden hier mit „Profe“ angeredet). Zwei Stunden später hat Fabian direkt seine erste Doppelstunde Informatik mit den 10.-Klässlern gehalten. Informatik bedeutet hier, dass die Schüler den Umgang mit den Programmen MS Word, MS PowerPoint und MS Excel (bzw. den kostenlosen LibreOffice-Versionen) lernen sollen. Die Stunde Informatik lief gut. Tatsächlich war die erste Stunde besser als die darauffolgende, da die meisten Schüler beim zweiten Mal anscheinend überfordert waren. Es ist schwierig nach fast zehn Jahren Uni wieder Schulunterricht zu geben und sich in Schüler hineinzuversetzen. Das ist auch bis jetzt das größte Problem und Fabian ist immer noch am rumprobieren, wie der Unterricht am besten funktioniert. Ab dem nächsten Mal gibt es jedoch endlich einen Beamer und man kann den Schülern zeigen, was sie tun sollen!

Jacqueline ist in allen Fächern dabei in denen es im weitesten Sinne um Ernährung geht. Die Abschlussklasse ist zum Beispiel jeden Dienstag in der Küche und kocht im Fach „Gastronomia“ mit einer Lehrerin zusammen. Dabei erzählt Jacqueline ihnen jedes Mal wie gesunde Ernährung aussieht und danach wird, die theoretischen Empfehlungen völlig ignorierend, fleischlastig (und teilweise mit Fertigsaucen) gekocht und Cola getrunken. Die 7. – 10. Klasse hat einmal in der Woche das Fach Gesundheit. Hier hat Jacqueline die Aufgabe mit den Schülern über Übergewicht, Mangelernährung und Hygiene in der Küche zu reden.

Unterrichten klappt erstaunlich gut. Die Schüler gehören zu der netten und aufmerksamen Sorte und selber Spanisch reden klappt ganz gut, nur andere verstehen ist immer noch schwierig. Zu guter Letzt gibt auch das Fach „Arbeit und Technik“. Hier schreinern die Jungs und die Mädels üben das Nähen an der Maschine. Jacqueline hilft bei den Mädels mit, einfach als zwei zusätzliche Hände, die Stoff zuschneiden und feststecken. Fabian ist dabei wenn Holzblumenkästen usw. gebaut werden. Das sind so unsere „regelmäßigen Aufgaben“. Spontan kommt auch mal ein Aushelfen im Kindergarten oder das Streichen von Stühlen dazwischen.

Bei uns zu Hause wurden die Zimmer von Handwerkern renoviert. Sie haben die die Böden neu gefliest (hier sind alle Fußböden gefliest), die Wände gestrichen und unseren Flur für eine kleine Küche vorbereitet. Spontan mussten wir deswegen für zwei Wochen in ein anderes Zimmer ziehen, ohne zu wissen wie lange die Arbeiten noch brauchen würden. Die Fußböden waren zwar nach drei Tagen fertig, aber immer wieder wurde Kleinzeugs geändert und wir wussten nie, wann wir wieder richtig an unsere Schränke usw. dran kommen. Die Ungewissheit hat sich gelohnt, jetzt ist alles fertig und richtig gut!

Bei uns zu Hause gibt es außerdem einen kleinen Papageien namens Panchi. Er gehört dem Sohn und Jacqueline hat schon begeistert mit ihm gespielt, ihm Stöcke gegeben und ihn auf die Schulter klettern lassen. Das ging alles ziemlich entspannt draußen auf der Terrasse, denn dem Papageien waren die Flügel gestutzt. Tja, aber Federn wachsen nach und so hat Panchi einmal beschlossen, dass er jetzt wieder fliegen kann. In dem Moment war der Schreck groß, der Freiheitsdrang vom Panchi aber zum Glück nicht. Der ist nur bis zum nächsten Busch geflogen und hat sich dann wieder einfangen lassen. Viele der Paraguayer haben Haustiere. Fast alle die wir kennen haben Hunde, Katzen oder Papageien und wenn man die Straße entlang läuft ist das kein Geheimnis, denn hinter jedem Zaun steht mindestens ein bellender Hund. Es gibt außerdem viele Straßenhunde, doch denen ist man egal und man kann ohne eine Reaktion an ihnen vorbei laufen.

Anfang März hatten wir Besuch vom Vorstand von Kreuz des Südens. Die Beiden sind viel gereist und haben sich die Projekte vor Ort angeschaut. Es war schön sie zu sehen und deutsche Schokolade ist lecker 😉 Mit denen sind wir dann auch auf den Mercado Cuatro. Das ist ein großer Markt in Asunción, auf dem man so gut wie alles findet, was der Paraguayer braucht. Auf hunderten kleinen Ständen gibt es dort Essen, Lebensmittel, Klamotten, Thermoskannen, Zubehör für Tereré, Handwerkskunst, Schmuck, Handys und gebrannte DVDs. Der ganze Bereich ist ziemlich verwinkelt und wir waren echt froh, dass wir nicht alleine da waren. Zum Glück waren für einen schönen Samstag weniger Menschen auf dem Markt als befürchtet. Anscheinend hat der durch Corona und einen Brand, den es vor ein paar Wochen dort gab, auch an Attraktivität verloren.

Bis jetzt haben wir zwei verschiedene Gemeinden in Asunicón besucht, die Gemeinde unserer Gastfamilie und die Gemeinde der Schule. Beide sind relativ klein mit etwa 30 Personen, aber das scheint hier ganz normal zu sein. Das Land ist sehr katholisch und so gibt es auch viele Kirchen und Heiligenfiguren. Die Menschen hier können so nett sein, dass es schon aufdringlich ist. Es gibt eine Familie aus der Gemeinde (der Schule), die einen Teil der Strecke fährt, den wir nach der Busfahrt noch laufen müssen und die uns einmal aufgegabelt hatte. Freundlicherweise haben sie uns auf dem Rückweg auch mitgenommen und uns, statt uns beim Bus abzusetzen, erst mal die Stadt und Umgebung gezeigt.

Eine weitere Gemeinde veranstaltet jeden Samstag eine Kinderstunde in einem armen Teil der Stadt. Einmal pro Monat gibt es da statt Spiel und Spaß ein Hygieneprogramm aus Haare und Nägel schneiden, Haare mit Flohshampoo waschen, Füße schrubben, Zöpfe flechten und anschließenden Gottesdienst mit Mittagessen.

Neben Arbeit und Gemeindebesuchen wird unser Leben hier sehr viel vom Wetter bestimmt. Hier scheint so viel die Sonne, dass auch der Umgang mit Regen ganz anders ist. Einerseits gibt man sich dadurch weniger Mühe, die Dächer richtig abzudichten und ein Flur braucht auch nicht immer ein Dach, zum anderen gehen viele Paraguayer bei Regen nicht vor die Tür. Sie haben Angst und tatsächlich verstehen wir das mittlerweile ein wenig. Im März hat es hier sintflutartig geregnet. Die großen Straßen waren wie reißende Flüsse und Autos schwammen durch die Gegend. Unsere Straße wurde weitestgehend verschont und wir waren sehr froh drinnen zu sein und das Ganze über’s Fernsehen zu beobachten. Es hat die ganze Nacht weiter geregnet und am nächsten Morgen, als wir schon in der Schule waren, hat es wieder richtig angefangen. Der Regen war so laut, dass man sich kaum unterhalten konnte und wir waren beschäftigt Wasser aus der Bibliothek zu wischen und die Zeit abzusitzen. Jetzt sind wieder zwei Computer kaputt. Laut den Paraguayern sind solche Regenmengen aber leider normal, nur die Infrastruktur ist nicht darauf vorbereitet.

Am letzten Märzwochenende sind unsere Gastfamilie und wir spontan (wie immer) nach Santaní gefahren. Santaní ist eine Stadt, die ca. 2h Autofahrt von uns entfernt liegt und in der alles etwas ländlicher und weniger vollgestopft ist. Die Zeit dort hat sich wie ein kurzer Urlaub angefühlt. Wir haben im Haus von einem Missionar gewohnt mit Blick auf grüne Hügel, mit Schafen und Kühen, die neben dem Haus grasen, einem Pool, in dem man die Füße baumeln lassen kann, nächtlichem Blick auf viele unbekannte Sterne und Fischteichen. Unsere Gastfamilie war überglücklich, weil Vater und Sohn in den Teichen angeln konnten. Das, was mir (Jacqueline) an Paraguay bis her am besten gefällt, ist die tropische Pflanzen- und Tierwelt. Und die konnte ich da einfach in der Hängematte genießen.

Uns geht es gut und wir sind froh hier zu sein.

Liebe Grüße
Jacqueline und Fabian